Als Berufs- und Karriere Coach hat man und frau häufig den Eindruck, von talentierten suchenden Persönlichkeiten umgeben zu sein, von denen man einfach nicht versteht, warum sie beruflich gesehen „Single“ sind und sich aber einen festen Arbeitsplatz wünschen.


Vielleicht liegt es nicht immer an den handelnden Personen, sondern eher am Rahmen der Begegnung. Genauso legendär wie verstaubt ist die Illusion von dem einen richtigen Arbeitsplatz an dem man schon als PraktikantIn begonnen hat und man bis zum Ende aller Tage (sprich bis zur Pension) dort seinen Arbeitsalltag verbringt. Ja, Ausnahmen bestätigen die Regel. Genauso wie jeder einen Opa hat, der täglich drei Packungen Zigaretten raucht und trotzdem 100 Jahre lang gesund und glücklich lebt.
Wie verhält es sich mit den vielen talentierten Menschen, die dummerweise nicht nur ein einziges herausragendes Talent haben? Ich wüsste nicht, dass Mozart das Dilemma hatte, sich nicht zwischen Musik und Malerei entscheiden zu können.

Häufig stehen uns bei der Karriere- und Berufungssuche die gesellschaftlichen Killerphrasen im Weg:

• „Das ist doch eine brotlose Kunst!“
• „…, und dafür hast Du jahrelang studiert?!“
• „Dann müsstest Du einen sicheren Job aufgeben.“
• „Man muss auch mal dankbar sein, für das, was man hat!“
• „Arbeit hat nichts mit Spaß zu tun!“
Viele von uns halten den Spatz in der Hand fest, während sie mit der Taube am Dach flirten und dabei ganz vergessen, dass sie in Wahrheit ihre wahren Talente vergessen haben. Ich hörte schon so manchen talentierten Suchenden daraufhin die Selbstdiagnose aussprechen:
„Ich glaube manchmal, ich habe einen Vogel!“. So gesehen, konnte ich nicht widersprechen.
Allzu oft fordert die Gesellschaft von uns den „roten Faden“ im Lebenslauf. Der sollte sich idealerweise dadurch äußern, dass man mit zehn Jahren schon wusste, was man werden will. Danach hatte man berufsbegleitend das richtige studiert und mit 30 Jahren hatte man wohl 20 Jahre Berufserfahrung mit fünf Jahren Auslandsaufenthalt mit exotischen Sprachkenntnissen. Man ist bereit locker 60 Stunden pro Woche im all-in Modus zu arbeiten, während man sich ehrenamtlich nebenbei für Sozialprojekte einsetzt „für all jene, die es nicht so gut haben wie wir.“ Trotzdem hat man ein ausgefallenes Hobby, das man in der nicht vorhandenen Freizeit pflegt und eine Beziehung mit jemandem, der genauso fabelhaft ist und noch dazu ist man ja sowieso ein Familienmensch und außerdem geht ja die Gesundheit vor. Dass die Milchmädchenrechnung nicht stimmt und die gemeinsam geteilte Illusion vom „perfekten Mitarbeiter (m/w)“ gar nicht aufgehen kann, wird beiseite geschoben.

Im Eifer des Gefechts im Bewerbungsprozess sind sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer häufig geblendet von der Wunschvorstellung sich „Glück durch Leistung“ im Perfektionsmodus zu erkaufen.
Das Produktmarketing aus Radio und Fernsehen hat längst Einzug in unser persönliches Marketing genommen. Der Slogan lautet „ich biete mehr für weniger!“ (und nebenbei: „wenn Du, lieber Arbeitgeber, JETZT bestellst, dann verdopple ich mich, und gebe Dir meine zweifache Arbeitsleistung für den gleichen Preis!“.

Die Ressourcen-Ausbeutung und Umweltverschmutzung ist lange kein ausschließliches Thema der „Welt da draußen“ mehr. Sie ist längst ein Thema des eigenen Zeithaushaltens und der Psychohygiene geworden. Bei einem ehrlichen Blick in die Perfektionisten-Persönlichkeit lässt sich häufig feststellen, dass nicht der „böse Arbeitgeber“, sondern unsere „Inneren Antreiber“ uns den Takt vorgeben.
Ein Dienstvertrag sollte daher keine reine „Vernunftehe“ sein, der ohne Leidenschaft für den Job eingegangen wird. Sonst könnte es bald heißen „bis das der Burnout Euch scheidet“.

Es ist an der Zeit für einen Paradigmenwechsel. Der Arbeitgeber ist kein Märchenprinz, der einmal erst wachgeküsst, das Lebensglück sicherstellt. Vielmehr scheinen wir am Ende der Arbeitgebermonogamie angelangt zu sein, wo flexible Arbeitsplätze, Arbeitszeiten und Beschäftigungsverhältnisse nötig sind. Wie kommt es, dass Menschen Ihren Job gut erledigen können und häufig Zeit mit Geld aufgewogen bekommen, trotzdem wechseln? Noch dazu nicht selten zu einem Arbeitgeber, der weniger zahlen kann, aber stattdessen eine Vision und Unternehmensidentität bietet, die sich mit dem Gewissen der Arbeitnehmer vereinen lassen?

Liebe Arbeitgeber, Ihr steht einem Bewerbermarkt gegenüber, auf dem Eure Schlüssel-Experten folgendes fordern:

• Flexibilität auf möglichst vielen Ebenen
• Partnerschaftlicher Dialog auf Augenhöhe
• Keine Lust und kein Interesse an der innerbetrieblichen Politik
• Wenig Vorgaben wie etwas zu tun ist, aber möglichst transparente Vorgaben woran die Leistung gemessen wird.
• Keine Hinderung der fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung durch Knebelverträge und Konkurrenzklauseln

ExpertInnen in hochspezialisierten Bereichen, zum Beispiel innerhalb der IT, werden von Headhunter Anfragen bombardiert. Häufig finden sich die KandidatInnen in der elitären Lage wieder, „es sich aussuchen zu können“. Hie und da trägt dieser Umstand auch zu einem erheblichen Egowachstum bei, der nicht immer charakterfördernd ist. Wie im Privatleben, so auch im Berufsleben, muss jeder Arbeitnehmer (m/w) sich am Ende des Tages klar werden, was ihm oder ihr individuell entspricht.

Bin ich im Berufsleben der ewige Single, der nur als Selbständige/r mit loser Auftragslage glücklich werden kann? Oder bin ich doch der Beziehungsmensch, der die Sicherheit und Vertrautheit eines festen Arbeitsplatzes braucht? Bin ich am besten aufgehoben, wenn ich zwei Teilzeitjobs annehme und die organisatorischen Schwierigkeiten eines Doppellebens riskiere?

Aus Arbeitgeber-Sicht lässt sich sagen: die Nachfrage regelt den Preis. Somit zahlt es sich aus, die traditionellen Arbeitsstrukturen für sich selbst zu hinterfragen und sich ehrlich die Frage zu beantworten: Wieviel an organisatorischen Kompromissen bin ich bereit einzugehen, um den/die richtigen MitarbeiterInnen für mich zu gewinnen und zu behalten.