Es ward einmal vor langer Zeit in einem Märchenland der menschlichen Köpfe eine Legende geboren, die so stark und hartnäckig war, dass sie noch immer lebendig ist. Diese Legende besagt, das jeder Mensch die eine einzige Berufung in sich trägt, sie mit zehn Jahren schon genau benennen kann und diesen Weg dann bis zu wohlverdienten Rente glücklich und zufrieden bestreitet. Demnach war man Lehrling, Geselle und Meister oder Student, Praktikant und Angestellter.

Manchmal wurde man auch durch Fleiß und Gottes Gnaden in den Olymp des Managements emporgehoben.

Nun soviel zur Legende. Ich muss zugeben, sie ist nach wie vor verlockend schön.

Wie sind jedoch die konkreten Beobachtungen zum Stand der Dinge am Bewerbermarkt?

Immer mehr Menschen mit hoher Ausbildung und Berufserfahrung hinterfragen Ihre berufliche Tätigkeit. In der Schule neigen wir dazu, uns auf die Schwächen der SchülerInnen zu konzentrieren mit der fatalen Illusion vor Augen: jeder müsse alles können. Um beim Fabel-haften Vergleich zu bleiben: die Ente kann gut schwimmen, aber leider sind ihre Leistungen beim Klettern mangelhaft. Daher wird sie vom Schwimmunterreicht befreit, um mehr Zeit für die Sonderförderung beim Klettern zu haben. Die Ente ist offensichtlich ein Problemkind. Als die Ente sich nach der Schule eine Berufswahl treffen muss, hat sie die Freude am Schwimmen längst vergessen und ist frustriert darüber, ein schwacher Kletterer zu sein. Sie wird nun in einem Förderprogramm nach Ihren Wünschen befragt.
Da sie diese Frage noch nie gestellt bekommen hat, ist sie überfordert und formuliert negativ: „keinesfalls klettern!“ OK, aber „ich möchte schwimmen!“ fiel ihr noch immer nicht ein. Daher wurde sie nach einer ausführlichen Expertenmusterung eindeutig als Vogel eingestuft und in einen Auffrischungskurs namens „Fliegen für Ungeübte“ angemeldet. Im Kurs fand sie schnell Freunde und konnte ihr Leid klagen.

Der Pinguin und der Vogelstrauß schienen die Ente zu verstehen. Die Gruppe wurde als „problematisch“ weil „wenig motiviert“ eingestuft. Die drei befanden den Kurs als unbrauchbar und beschlossen, sich auf eigene Beine zustellen. Die gründeten eine GmbH der „kein klettern, kein fliegen“ Gruppe. Nun ging es ans Portfolio-Definieren. Langsam dämmerte der Ente, sie möchte irgendwas mit Wasser machen … aber was nur? Der Pinguin konnte damit viel anfangen, beschwerte sich aber, dass ihm zu warm sei. Der Strauß hatte zwar den nötigen Weitblick, konnte aber dem Thema Wasser nichts abgewinnen. Er sah sich eher als Visionär, steckte jedoch angesichts der Marktherausforderungen den Kopf in den Sand.
Da sich die Unternehmensauflösung anbahnte, weil die Kunden immer wieder das „Fliegen“ anfragten, entschied sich die Ente für ein Karriere Coaching. Als erstes wurde die Firmenwebsite unter die Lupe genommen. Deren Slogan lautete: „Drei Vögel für Charlie“ beauftragen sie uns mit „…?“ (nicht genau definiert).
Die Kunden kamen daraufhin immer wieder mit Fluganfragen. Als die Ente begann sich mit sich selbst und ihren lange vergessenen Wünschen auseinanderzusetzen, fiel es wie Schuppen von den Augen!

Sie inserierte ab nun als freilaufende Badeteichente, die Schwimmen als USP angab. Sie konnte für Gartenpflege zum Schutz vor Schädlingen gebucht werden. Anfragen als bunter Singvogel lehnte sie aus Berufserfahrung klugerweise ab. Der Pinguin fand eine passende Anstellung im Norden bei einem Großkonzern. Dort konnte er viel in Teams arbeiten, einen dunklen Anzug bei der Arbeit tragen und nicht allzu sehr auffallen. Der Strauß fuhr in den Süden und entdeckte in der Savanne seine Leidenschaft für weitläufige Landschaften und viel Beinfreiheit.

So kam es nun, dass sie lebten glücklich und zufrieden bis an Ihr Lebens Ende.

Die Moral von der Geschicht‘: Bleibe in einer unpassenden Schublade nicht! Erst wenn Du selber den Wunsch ablegst, in eine vorgefertigte Schublade zu passen, wird das Leben aufhören Dir enge Schubladen anzubieten. Bau Dir lieber ein gemütliches Nest, für die Holzkiste hast Du später noch Zeit.

Ente gut, alles gut!